Branche im Wandel – Haltung statt Hysterie

28 Mai, 2025 | Aktuell Allgemein
Steuererhöhung bei Vorsorgekapital: SIBA-Präsident Markus Lehmann warnt vor Vertrauensverlust.
Branche im Wandel: SIBA-Präsident Markus Lehmann einmal mehr vehement gegen Überregulierung.

Am Anlass der Swiss Insurance Brokers Association (SIBA) in Zürich stellte Präsident Markus Lehmann den Reformdruck in der Versicherungsbranche klar und forderte Augenmass von der Politik. Der Ökonom Prof. Dr. Klaus W. Wellershoff lieferte danach einen globalen Blick auf die wirtschaftlichen Perspektiven: differenziert, pointiert und überraschend optimistisch.

Der SIBA-Rahmenprogramms im Anschluss an die 34. Generalversammlung versammelte über 200 Vertreterinnen und Vertreter der Assekuranz, Wirtschaft und Regulierung und zeigte ein Zeichen der Relevanz des unabhängigen Versicherungsvermittlungsverbandes. In seiner Begrüssung betonte Markus Lehmann, Präsident der SIBA, den Wunsch nach konstruktivem Dialog, warnte aber auch vor zunehmender Regulierungswut.

«Wir wollen kein Jammertal»

«Wir sind nicht gegen Regeln, aber gegen Überregulierung», betonte Lehmann. In Bezug auf die aktuelle Umsetzung des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) durch die Finanzmarktaufsicht (FINMA) zeigte er sich enttäuscht: «Dass sich die FINMA an die Verordnung hält, verstehen wir. Aber ein gewisses Fingerspitzengefühl bei der Interpretation wäre wünschenswert gewesen.» Das neue VAG verfehle in Teilen die Praxisrealität und könne gerade kleinere Marktteilnehmer existenziell treffen.

Zudem sprach sich Lehmann für ein fakultatives Verordnungsreferendum aus: «Es braucht wieder demokratische Kontrolle über Ausführungsbestimmungen, die oft weiter gehen als das Gesetz selbst.» Der Trend zu immer mehr Staatsausgaben und Bürokratie sei für die Wirtschaft eine schleichende Belastung. Und er warnte: «Wenn wir die Spielregeln während dem Spiel ändern, hilft das niemandem, auch nicht der Glaubwürdigkeit des Systems.»

Strukturwandel mit Chancen

Mit Spannung erwartet wurde das Referat von Prof. Dr. Klaus W. Wellershoff, dem ehemaligen Chefökonomen der UBS. Trotz der Vielzahl an globalen Unsicherheiten überraschte er mit einer klaren Haltung: «Ich bin Optimist – nicht weil alles gut ist, sondern weil es in dieser Welt mehr Chancen als Risiken gibt.»

Markus Lehmann und Prof. Dr. Klaus W. Wellershoff. Bild: ©Monique Wittwer
Bild ©Monique Wittwer.

Wellershoff zeichnete ein makroökonomisches Bild, das vor allem eines zeigt: Der wirtschaftliche Schwerpunkt verlagert sich nach Asien. Bis 2040 werde China zur grössten Volkswirtschaft der Welt aufsteigen und Indien werde die USA überholen. Für die exportorientierte Schweiz sei das eine grosse Chance, sofern sie den Anschluss nicht verliere.

Sein Rat an die Versicherungswirtschaft: «Nicht jammern über geopolitische Verschiebungen – sondern aktiv neue Märkte erschliessen.» Die Schweiz müsse sich aussenwirtschaftlich breiter aufstellen, besonders in Richtung Asien, ohne die Nähe zu Europa aufzugeben.

Digitalisierung und Demografie als doppelte Herausforderung

Auch in punkto Technologie und Arbeitswelt hatte Wellershoff eine klare Meinung. Der technologische Fortschritt – auch durch KI – werde keine Massenarbeitslosigkeit erzeugen. «Wir haben keinen Jobmangel, sondern ein Arbeitsvolumenproblem.» Denn mit dem Wunsch nach mehr Freizeit gehe ein Rückgang der verfügbaren Arbeitszeit einher, was das Wachstum und die Sozialwerke belaste.

«Wir reden ständig über Demografie, aber der grössere Hebel ist die Arbeitszeit. Wenn wir alle 10 Prozent weniger arbeiten, fehlen 10 Prozent Steuersubstrat. So einfach ist das.»

Gleichzeitig warnte er vor der regulatorischen Belastung, die vor allem kleinere Akteure in der Finanz- und Versicherungsbranche treffe. «Wir verlieren Wettbewerb durch Überregulierung und das schwächt letztlich alle.» Gerade die zahlreichen Auflagen hätten dazu geführt, dass hunderte kleine Vermögensverwalter vom Markt verschwunden seien. Dies kommt einem Verlust an Vielfalt und Innovation gleich.

Die Botschaft: Realismus, aber mit Rückenwind

Am Ende des SIBA-Anlasses blieb das Fazit klar: Die Branche steht unter Druck: von der Regulierung, von der Zinsentwicklung und von geopolitischen Spannungen. Doch es gibt auch Rückenwind. Die stabile Verfassung der Schweizer Volkswirtschaft, das hohe Bildungsniveau und die Anpassungsfähigkeit der Unternehmen bieten beste Voraussetzungen.

Oder wie es Klaus Wellershoff formulierte: «Wer die neuen Technologien umarmt und sich auf die dynamischsten Märkte ausrichtet, wird gewinnen.»

Und Markus Lehmann ergänzte: «Die Versicherungsbranche braucht keine Betroffenheit, sondern Haltung. Und dafür stehen wir.»

Binci Heeb

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