Obdachlos aus freien Stücken – Eine unerwartete Begegnung auf den Kanarischen Inseln

8 Juli, 2025 | Aktuell Allgemein Video
Obdachlos aus freien Stücken: Eine zufällige Begegnung. V.l.n.r.: Pat, Lars (der Sänger), Phil, Lars (der obdachlose Künstler).
Obdachlos aus freien Stücken: Eine zufällige Begegnung. V.l.n.r.: Pat, Lars (der Sänger), Phil, Lars (der obdachlose Künstler).

Während den Sommerferien, so auch heute, gehen auch die Podcasts von thebrokernews in den Urlaub. An ihrer Stelle zeigen wir interessante Video-Interviews und Podcasts von unserem Partner, The INGAGE Institute. Heute mit den beiden Lars.

Es war ein Bilderbuchsamstag vor ungefähr 15 Jahren auf den Kanarischen Inseln, einer dieser Tage, die zum Nachdenken und zu zufälligen Begegnungen einladen. Für Phil und Pat, zwei Brüder und Gründer von The INGAGE Institute, war es auch ein Tag, der ihre Sicht auf Kunst, Reichtum und die Vorstellung von Heimat infrage stellte.

Während einer Wanderung auf einem malerischen Pfad kamen die Brüder mit einem leise sprechenden Mann ins Gespräch, der sich einfach als Lars vorstellte. Freundlich und offen erklärte Lars, dass er ein Künstler aus Dänemark sei und obdachlos: Nicht aus Unglück, sondern aus freien Stücken.

Diese einfache Enthüllung liess Phil und Pat innehalten.

«Sie sind freiwillig obdachlos?», fragte Phil.

From left to right: Phil, Lars the homeless, and Lars the singer.

Lars erklärte, dass er auf die Kanarischen Inseln gekommen sei, um Armut und Einfachheit zu erforschen, aber nicht als Absturz, sondern als philosophische und künstlerische Entscheidung. Er wollte ohne die Fesseln des Konsums leben, erfahren, was es bedeutet, weniger zu haben, und dabei vielleicht mehr zu gewinnen.

Art Money: Kunstwerke als alternative Währung

Lars (Christian Kræmmer) war nicht irgendein Künstler. Er war 1997 Gründer von Art Money, einer kreativen Lösung für die prekäre finanzielle Lage vieler Künstler. Das Konzept besteht darin, dass Künstler einzigartige Kunstwerke im Format 12 x 18 cm schaffen, die als alternative Währung dienen und in teilnehmenden Geschäften gekauft, getauscht oder als Zahlungsmittel verwendet werden können. Damit kritisieren sie traditionelle Währungssysteme und erforschen das Wesen von Wert.

Im Jahr 2024 ging die Leitung von Art Money an die Künstlerin Catrine Holte über, wobei Lars eine Minderheitsbeteiligung behielt. Das Projekt zielt nun darauf ab, aufstrebende Künstler zu unterstützen und gleichzeitig ihre Mission als kreative Initiative für künstlerische Währung fortzusetzen, bei der kleine, postkartengrosse Zeichnungen produziert werden, die «Geld» genannt werden. Diese Stücke fungieren als eine Form von alternativer Währung und stellen traditionelle Vorstellungen von Wert und Tausch in Frage. Sein Projekt entwickelte sich zu einer Bewegung, die er provokativ «Art Bank» nannte, bis rechtliche Probleme ihn zwangen, den Namen zu überdenken. Offenbar kann die Bezeichnung «Bank» rechtliche Probleme aufwerfen, selbst wenn es sich eindeutig um Kunst handelt.

Art Money hat sich zu einer weltweiten Kunstwährung entwickelt, die in über 70 Ländern akzeptiert und sogar von einigen offiziellen Einzelhändlern in Dänemark (z.B. dem Ibsen Hotel in Kopenhagen) anerkannt wird.

Phil und Pat, deren journalistische Arbeit bei INGAGE sich um Themen wie Bankwesen, Versicherungen und Risiken dreht, waren fasziniert. Der allgemeine Ratschlag von Freunden und Bekannten jedoch lautete, eine solche Geschichte zu ignorieren: «Niemand interessiert sich für einen Obdachlosen», sagten ihm die Leute. Aber das bestärkte die Brüder nur in ihrer Überzeugung, Lars’ Stimme zu verbreiten. Hier war jemand, der ausserhalb des Systems lebte und sich dennoch intensiv mit den rigiden Institutionen der Gesellschaft, Geld und Wert, auseinandersetzte.

Während ihres Gesprächs brachte Phil sogar die Idee auf, Lars‘ Kunst in NFTs zu verwandeln, um jemandem, der auf der Strasse lebt, eine neue Einnahmequelle zu verschaffen. Aber wie sich herausstellte, war Lars‘ Welt noch vernetzter, als es zunächst schien. Einer der Milliardäre Dänemarks und Gründer einer grossen Bank stand mit Lars in Kontakt, wodurch die Grenzen zwischen Armut und Privilegien, Aussenseiter und Insider verschwammen.

Die Geschichte nahm eine weitere Wendung, als sie sich alle in einem Café in Las Palmas trafen. Lars hatte einen Freund mitgebracht, der ebenfalls Lars hiess und der sich als Musiker vorstellte. Ohne Vorwarnung holte er eine Gitarre hervor und begann zu singen. Der Moment war elektrisierend. Phil und Pat waren überwältigt von der Schönheit des Songs und der Intimität der Darbietung.

Dann kam die Überraschung

Es war das erste Mal, dass Lars H.U.G. – der Sänger – diesen Song jemandem vorgespielt hatte. Was die Brüder in diesem Moment nicht wussten, war, dass Lars H.U.G. einer der angesehensten Musiker Dänemarks ist. Er ist sogar so verehrt, dass der dänische König persönlich um Erlaubnis bat, einen seiner Songs bei der Hochzeit des Prinzen singen zu dürfen.

Von einer ungezwungenen Wanderung zu einem philosophischen Austausch, von Gesprächen über Kunst und Geld zu einem privaten Konzert mit einer nationalen Ikone – der Tag verlief wie im Bilderbuch. Und alles begann mit einem Mann, der sich nicht aus Verzweiflung, sondern aus künstlerischer Rebellion dafür entschied, obdachlos zu sein.

Manchmal kommen die bedeutungsvollsten Geschichten aus den Randbereichen, wo Künstler, Wanderer und Visionäre uns herausfordern, das Leben nicht als Wettlauf um Anhäufung zu betrachten, sondern als Experiment in Einfachheit, Verbundenheit und kreativem Risiko.

Und genau das zeigt das Video, das Sie gleich sehen werden.

Binci Heeb

Hören und lesen Sie auch: Richard Simcott: The Superman of Learning


Tags: #Alternative Währung #Art Bank #Art Money #Dänemark #Kanarische Inseln #Künstler #Lars #Obdachlos #Sänger #System #Tausch