Die unsichtbare Wolke: Warum Kondensstreifen das Klima stärker belasten als gedacht
8 September, 2025 | Aktuell Allgemein
Am 2. September 2025 versammelten sich über 500 Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft am Sustainable Switzerland Forum 25 der NZZ in der neuen Festhalle der BERNEXPO, um Wege in eine nachhaltigere Zukunft zu diskutieren. Auch thebrokernews war anwesend. Lesen Sie die verschiedenen Beiträge auf diesem Portal. Wir beginnen mit Kondensstreifen am Himmel.
Flugzeuge gelten nicht nur wegen CO₂ als Klimasünder. Kondensstreifen tragen erheblich zur Erwärmung bei, doch ihr Einfluss bleibt in der öffentlichen Debatte erstaunlich unterbelichtet, wie Forschende herausgefunden haben. Max Vogler, Senior Engineer bei Google in Zürich, konzentriert sich aktuell auf das Project Contrails (Kondensstreifen), eine Initiative zur Reduktion des Klimaeinflusses des Flugverkehrs.

Weisse Linien mit dunklem Effekt
Wer in den Himmel blickt, sieht sie fast täglich: lange weisse Linien, die sich hinter Flugzeugen bilden und sich zu Schleierwolken ausbreiten. Was uns vertraut erscheint, ist aus Klimasicht brisant.
Kondensstreifen entstehen, wenn heisse Abgase auf kalte, feuchte Luft in grosser Höhe treffen. Dabei kondensiert Wasserdampf und bildet Eispartikel. Klingt harmlos, doch die Partikel reflektieren Sonnenstrahlung, speichern Wärme und verändern die Wolkenbildung.
Studien zeigen: Kondensstreifen verursachen kurzfristig mehr Erwärmung als das ausgestossene CO₂. Der Effekt ist jedoch schwerer messbar und wird deshalb politisch und medial oft verdrängt.
«Kondensstreifen sind ein schlafender Riese»
Forschende warnen, dass wir hier eine Dimension unterschätzen. «Kondensstreifen sind ein schlafender Riese des Klimawandels,» sagt etwa Dr. Ulrike Burkhardt, Atmosphärenforscherin beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Ihr Einfluss könne je nach Wetterlage sogar grösser sein als der gesamte CO₂-Ausstoss des Fluges.
Besonders kritisch seien Flüge in der Nacht. Tagsüber reflektieren Kondensstreifen auch Sonnenlicht, was leicht kühlend wirkt. Nachts hingegen bleibe nur der wärmende Effekt. Genau deshalb sind Transatlantikflüge im Dunkeln klimatisch besonders heikel.
Lösungen: Weniger Linien am Himmel?
Die Luftfahrtindustrie experimentiert mit Gegenmassnahmen. Ein Ansatz: Flugrouten so anpassen, dass Flugzeuge Zonen mit hoher Feuchtigkeit meiden. Schon kleine Abweichungen könnten die Bildung von Kondensstreifen verhindern.
Ein anderer Ansatz liegt im Treibstoff. Beim Einsatz von nachhaltigen Flugkraftstoffen entstehen weniger Russpartikel und damit weniger Kondensationskerne für Eispartikel. Erste Tests sind vielversprechend, doch die Umsetzung im grossen Stil bleibt teuer und politisch umstritten.
Die vergessene Dimension des Fliegens
Fliegen ohne CO₂ bleibt eine Utopie. Aber Fliegen mit weniger Klimawirkung ist durch smartere Routen, neue Treibstoffe und eine offene Debatte möglich. Solange Kondensstreifen in der öffentlichen Wahrnehmung nur dekorative Muster am Himmel sind, bleibt ihr eigentlicher Effekt unsichtbar.
Die weissen Linien sind mehr als Ästhetik, sie sind ein Klimafaktor. Und vielleicht einer, der sich schneller reduzieren lässt, als wir denken.
Binci Heeb
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