Europa verschläft seine Verteidigung und riskiert sein Überleben
12 August, 2025 | Aktuell Allgemein Video
Christophe Gomart, Ex-General und heute Vizepräsident im EU-Verteidigungsausschuss, sagt, was viele denken, aber kaum einer ausspricht: Wer den Frieden will, muss bereit sein, Krieg zu führen. Europa hat keine Zeit mehr zu verlieren und darf sich nicht länger auf den grossen Bruder USA verlassen
36 Jahre diente Gomart in der französischen Armee, kommandierte Spezialkräfte, leitete den Militärgeheimdienst und war 2013 mitten im Einsatz in Mali. Heute sitzt er im Europäischen Parlament und ringt mit einer neuen Realität: In Brüssel gibt es keine klaren Befehle, nur Mehrheiten. «Manchmal ist das frustrierend», sagt er. «Im Militär konnte ich entscheiden. In der Politik muss ich verhandeln, während die Uhr tickt.»
Die Illusion der Sicherheit
Für Christophe Gomart ist die Selbstzufriedenheit Europas brandgefährlich. «Seit 1945 haben wir uns auf die USA verlassen. Das war bequem, aber es hat uns schwach gemacht.» Seine Bedrohungsliste ist lang: Russland, Iran, China, die Türkei, islamistischer Terror, und ein Amerika, das kein starkes Europa will. «Alle wollen uns spalten. Wir haben vergessen, wer wir sind.»
Drei Pfeiler für ein wehrhaftes Europa
- Industrie bündeln: Schluss mit Rüstungs-Zersplitterung: «17 verschiedene Panzer, 15 Kampfjets, das ist Wahnsinn. Wir brauchen europäische Champions wie Airbus.»
- Eigenes Kommando: Ein europäisches «Command and Control»-Hauptquartier, das Einsätze plant und führt. Keine Ersatz-NATO, sondern Handlungsfähigkeit ohne Blockaden.
- Moralische Aufrüstung: Junge Europäer müssen wissen, was Krieg bedeutet. Freiwilligendienste und Aufklärung in Schulen sollen Wehrhaftigkeit und Zusammenhalt stärken.
«Ohne Waffen keine Diplomatie»
Sein erster Erfolg in Brüssel: 1,5 Milliarden Euro für das «European Defence Industry Programme». Doch das ist nur der Anfang, denn Gomart fordert 20 Milliarden jährlich. «Diplomatie ohne Waffen ist wie Musik ohne Instrumente», zitiert er Bismarck. Sein Kernargument: Abschreckung schafft Frieden, nicht naive Abrüstung.
Technologie entscheidet
Für Gomart ist Verteidigung längst auch Hightech. KI, Drohnen, Weltraum, Quantencomputing: hier droht Europa den Anschluss zu verlieren. Ein besonders krasses Beispiel: 80 Prozent der EU-Firmendaten liegen auf US-Servern. «Wir zahlen jährlich 224 Milliarden Euro für amerikanische Clouds. Für weniger könnten wir eine eigene bauen. Das ist keine Frage des Könnens, sondern des Wollens.»
Keine Zeit mehr für Illusionen
Gomarts Zeithorizont ist klar: «Wer morgen einsatzfähige Streitkräfte will, muss heute anfangen.» Panzer, Schiffe, Ausbildung: alles dauert Jahre. «Die Bedrohungen sind real, die Uhr tickt. Wir können nicht warten, bis der Feind vor der Tür steht.»
Hoffnung ist kein Plan, aber ein Antrieb
Trotz aller Warnungen bleibt er Optimist: «Europa hat Wissen, Fähigkeiten und den Willen. Aber wir müssen aufwachen.» Sein Fazit ist scharf: «Optimismus ohne Handeln ist nur Träumerei.»
Binci Heeb
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