Hellbrise und Dunkelflaute: Zwei Seiten der Energiewende

12 Mai, 2025 | Aktuell Allgemein
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Hellbrise und Dunkelflaute: Neue Risiken der Energiewende.

Anfang März 2025 thematisierte eine Ringvorlesung des Collegium generale in Bern die Herausforderungen von Dunkelflauten und Hellstürmen im Kontext der Energiewende. Dr. Christian Grams von MeteoSchweiz erklärte, wie Wetterextreme mit wenig oder zu viel Wind und Sonne die Stromproduktion beeinflussen und wie damit umgegangen werden kann.

Am Montag, 28 April 2025, ereignete sich in Spanien, Portugal und Teilen Frankreichs ein massiver Stromausfall. In Städten wie Madrid, Barcelona und Lissabon kam der Bahn- und U-Bahn-Verkehr zum Erliegen und führte durch ausgefallene Ampeln zu erheblichen Verkehrschaos. Mobilfunknetze und Internetverbindungen waren gestört oder fielen komplett aus. Der Stromausfall betraf auch Bancomaten, Kartenzahlungen, Krankenhäuser, Supermärkte und Sicherheitsdienste.

Gründe für den Stromausfall

Während ein Cyberangriff ausgeschlossen wurde, könnten mehrere Faktoren eine Rolle gespielt haben. Dazu gehören beispielsweise der plötzliche Verlust von Stromversorgung, die Netzinstabilität durch erneuerbare Energien, schwache internationale Verbindungen oder technische Störungen.

Personeller und wirtschaftlicher Schaden

Der wirtschaftliche Schaden wird auf 1,6 bis 4,5 Milliarden Euro geschätzt. Industriebetriebe wie Volkswagen und Seat mussten die Produktion einstellen. In der Lebensmittelbranche verdarben grosse Mengen an Waren aufgrund unterbrochener Kühlketten. Tragischerweise kamen mehrere Menschen ums Leben, unter anderem durch Kohlenmonoxidvergiftungen infolge unsachgemässer Nutzung von Notstromaggregaten und Brände durch Kerzenlicht

Lehren und Ausblick

Der Vorfall unterstreicht die Notwendigkeit, die Stromnetze widerstandsfähiger zu gestalten, insbesondere angesichts des wachsenden Anteils erneuerbarer Energien. Empfohlen werden Investitionen in Netzstabilisatoren, Energiespeicher und der Ausbau internationaler Verbindungen, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.

Immer wieder wird auch von zwei interessanten Seiten der Energiewende gesprochen. Unter «Hellbrise» versteht man eine Phase hoher Solar- und Windstromproduktion bei gleichzeitig geringer Nachfrage, was zu einem Überangebot und teils negativen Strompreisen führt. Im Gegensatz dazu beschreibt die «Dunkelflaute» Zeiten, in denen Wind- und Solaranlagen aufgrund von Wetterbedingungen kaum Strom liefern.

Vier Fünftel des Schweizer Stroms aus erneuerbaren Quellen

Laut Bundesamt für Energie (BFE) stammte 2022 rund 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen: 65 Prozent aus Wasserkraft und 14 Prozent aus Photovoltaik, Windkraft, Kleinwasserkraft und Biomasse. 20 Prozent kamen aus der Kernenergie. Auch 2025 bleibt die Schweiz mit fast 80 Prozent erneuerbarer Energie in den Steckdosen gut aufgestellt, wobei Wasserkraft weiterhin dominiert. Dennoch weicht der gelieferte Strom – der sogenannte Liefermix – vom Produktionsmix ab, da reger Handel mit dem Ausland stattfindet.

Solarenergie als grosse Chance

Solarenergie bietet enormes Potenzial: Die Sonneneinstrahlung liegt je nach Standort zwischen 1050 und 1550 Kilowattstunden pro Quadratmeter – vergleichbar mit der Toskana oder Provence. Insgesamt übertrifft die Solarenergie das 200-Fache des Energieverbrauchs der Schweiz. Windenergie spielt vor allem im Winterhalbjahr eine Rolle, macht aber weniger als ein Prozent der Stromproduktion aus.

Energiesparen im Alltag

Neben dem Ausbau erneuerbarer Energien sind Energiesparmassnahmen wichtig, etwa durch konsequentes Abschalten von Geräten im Standby-Modus mittels Steckleisten oder smarter Technologien, ohne auf Komfort verzichten zu müssen.

Neue Risiken durch Hellbrise und Dunkelflaute

Doch die Energiewende bringt neue Risiken: Nicht nur Dunkelflauten, sondern auch Hellbrisen stellen Herausforderungen dar. Die Schweiz ist zwar gut ins europäische Netz eingebunden und verfügt über starke Speicherkapazitäten dank Wasserkraft. Doch mit dem raschen Ausbau von Solaranlagen wächst auch die Gefahr lokaler Überproduktionen. Mit der Energiestrategie 2050 will der Bund bis 2035 die mittlere Produktion von Elektrizität auf 37’400 GWh/Jahr steigern. Bis 2050 sollen es 38’600 GWh sein.

Massnahmen gegen Netzüberlastungen

Swissgrid, die nationale Netzgesellschaft, arbeitet bereits mit Netzengpassmanagement, flexiblen Einspeiseregelungen und notfalls auch temporären Drosselungen von Erzeugern. Dennoch muss die Zusammenarbeit zwischen Netzbetreibern, Produzenten und Grossverbrauchern weiter verbessert werden.

Batteriespeicher als (noch) unzureichende Lösung

Ein Mittel gegen Hellbrisen könnten Batteriespeicher sein. Allerdings reichen die bestehenden Kapazitäten noch nicht aus: Nach wenigen Stunden voller Sonneneinstrahlung sind viele Batterien voll. Geplante Grossspeicherprojekte in Wallis und Tessin werden erst langfristig eine Entlastung bringen.

Fernsteuerbarkeit von Photovoltaikanlagen verbessern

Viele bestehende Photovoltaikanlagen sind nicht fernsteuerbar. Erst neue Anlagen müssen über entsprechende Schnittstellen verfügen. Experten fordern deshalb, auch Bestandsanlagen nachzurüsten oder über Anreizsysteme steuerbare Abschaltmöglichkeiten zu schaffen.

Feiertagspläne und intelligente Stromtarife als Zukunftsstrategie

Einige Fachleute schlagen vor, gezielt Massnahmen für Feiertage zu entwickeln: Beispielsweise könnten Industriebetriebe Anreize erhalten, ihre Produktion während solarstarker Stunden hochzufahren. Intelligente Stromtarife könnten ebenfalls helfen, den Verbrauch an die Erzeugung anzupassen.

Überschüsse intelligent steuern

In Zukunft müssen wir lernen, nicht nur Dunkelflauten, sondern auch Hellbrisen zu managen. Dank flexibler Wasserkraft hat die Schweiz derzeit noch Vorteile gegenüber ihren Nachbarn. Doch wer die Energiewende erfolgreich gestalten will, muss künftig nicht nur Engpässe verhindern, sondern auch Überschüsse intelligent steuern.

Binci Heeb

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