Innovation statt Belastung: Wie Israel Gesundheit neu denkt
21 November, 2025 | Aktuell Allgemein
Beim Treffen der Handelskammer Schweiz–Israel zeigte ein Experte, warum Gesundheitsinnovation künftig Wirtschaftswachstum treibt und wie das Sheba Medical Center zu einem globalen Motor für Medtech, KI und Resilienz wird.
Der israelische Botschafter Dr. Tibor Shalev Schlosser eröffnete den Anlass mit einer Einordnung der Lage im Nahen Osten: zwei Jahre Krieg, tiefgreifende regionale Verschiebungen und eine anhaltende Terrorbedrohung. Trotz dieser Belastungen habe sich die israelische Wirtschaft als überraschend robust erwiesen und zeige niedrige Arbeitslosigkeit, hohes Exportvolumen und unverändert starke Beziehungen zur Schweiz.
Schlosser betonte die «bemerkenswerte Widerstandsfähigkeit» des Landes und hob besonders die Rolle der Hightech-Industrie hervor, deren Innovationskraft zentrale Wachstumstreiber liefere.
Makroökonomischer Ausblick: Keine Angst vor der nächsten Inflationswelle
Frank Häusler Head Investments bei Dreyfus Söhnen & Co. Ltd. Banquirs, schlug die Brücke von der Geopolitik zu den Finanzmärkten. Seine Kernbotschaft: Trotz Unsicherheiten sind die Inflationsrisiken begrenzt, die globalen Konjunkturdaten stabil und Aktien langfristig attraktiver als Anleihen.
Die grosse Herausforderung sieht Häusler in den wachsenden US-Staatsdefiziten und einer drohenden Schwächung des Dollars. Langfristig orientierte Anleger sollten daher stärker auf robuste Sektoren wie Health Tech setzen. Dort entstehen nachhaltige Geschäftsmodelle mit hoher gesellschaftlicher Relevanz.





Sheba: Wenn ein Krankenhaus zum Innovationsökosystem wird
Den inhaltlichen Schwerpunkt bildete die Präsentation von Avner Halperin, CEO von Sheba Global, der Innovations- und Gründungseinheit des Sheba Medical Center. Sheba ist laut Newsweek eines der besten Krankenhäuser der Welt und gleichzeitig ein internationales Entwicklungszentrum für Medizintechnik, KI und digitale Versorgung.
Halperins These: Gesundheit ist keine Kostenstelle, sondern ein Wachstumsmotor. Mit dem Programm ARC (Accelerate, Redesign, Collaborate) baut Sheba seit Jahren und mit bemerkenswerten Ergebnisse ein systematisches Innovationsmodell auf:
- darunter finden sich rund 20 neue Start-ups pro Jahr,
- 3’500 geschaffene Arbeitsplätze,
- ein kumulierter Unternehmenswert der Spin-offs von knapp 6 Milliarden US-Dollar,
- und ein globales Netzwerk von Kliniken, die Shebas Modelle übernehmen.
Innovation aus Daten – und aus der Krise
Sheba arbeitet seit über zwei Jahrzehnten papierlos. Die daraus entstehende Datenbasis ermöglicht KI-Anwendungen, die weltweit eingesetzt werden Beispielsweise das Startup Aidoc, das bildgebende Diagnostik automatisiert und die Sterblichkeit bei Hirnblutungen nachweislich senkt.
Der Krieg seit dem 7. Oktober brachte neue Herausforderungen und Innovationen hervor. Halperin zeigte Beispiele aus der psychischen Versorgung und Rehabilitation. So ist LIV ist ein KI-basierter Gesprächspartner zur Früherkennung von Trauma- und Belastungsstörungen.
Sheba entwickelt derzeit einen implantierbaren Sensor, der amputierten oder verletzten Soldaten wieder ein Gefühl in den Fingern ermöglichen soll. Gleichzeitig hat das Krankenhaus unterirdische Feldspitäler in Parkhäusern eingerichtet, um Patientinnen und Patienten vor Raketenangriffen zu schützen. Dieses Konzept wird inzwischen auch von europäischen Kliniken übernommen.
Von der Wüste bis nach Boston: Innovation für alle
Besonders betonte Halperin den sozialen Aspekt: Sheba baut nicht nur Spitzentechnologie in Tel Aviv, sondern stärkt auch unterversorgte Regionen, etwa durch ein neues Hightech-Spital in der Negev-Wüste oder ein Resilienz- und Innovationszentrum in Sderot, nahe der Grenze zu Gaza.
Der Blick geht jedoch weit über Israel hinaus: Mit einem globalen ARC-Netzwerk will Sheba Kliniken weltweit miteinander verbinden, Innovationen teilen und gemeinsame Datenräume schaffen. Ein «Landing Pad» in Massachusetts soll Startups den Zugang zum US-Markt erleichtern.
Gesundheitsinnovation als gemeinsame Aufgabe
Der Anlass zeigte eindrücklich: Gesundheitsinnovation wird zu einem zentralen Faktor für Resilienz und Wachstum, sei sie geopolitisch, wirtschaftlich oder gesellschaftlich.
Israel demonstriert mit Sheba, wie ein öffentliches Krankenhaus zum Technologie- und Wirtschaftsmotor werden kann. Die Schweiz wiederum verfügt über exzellente Voraussetzungen, um von solchen Modellen zu profitieren, etwa in Medtech, Digitalisierung und Versicherungsinnovation.
Kooperation statt Konkurrenz, so der rote Faden, wird künftig über den Erfolg beider Länder entscheiden.
Binci Heeb
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