Kleine Broker im Würgegriff der Regulierung

24 November, 2025 | Aktuell Allgemein
Kleine und Kleinstbroker sind überlastet.
Kleine und Kleinstbroker sind überlastet.

Kleine und Kleinstbroker in der Versicherungsbranche geraten zunehmend unter Druck. Der administrative Aufwand wächst, die Erträge bleiben gleich und die Zeit für Kundenberatung schrumpft. Die Ursache liegt weniger in der Aufsicht der FINMA selbst als in der Komplexität der Regulierung, fehlenden Standards und einer Praxisferne, die viele Betriebe überfordert. Und: der Kunde profitiert in keiner Weise davon.

Was einst in den Innendiensten der Versicherer erledigt wurde, bleibt heute am Broker hängen: Offerten, Policen und Vertragsänderungen. Trotz dieser Verschiebung hat sich die Vergütung nicht angepasst. Die Folge ist eine End-to-End-Verarbeitung auf Brokerseite bei stagnierenden oder gar sinkenden Courtagen.

Zersplitterte Systeme

Ein grosses Ärgernis sind die inkompatiblen IT-Systeme der Versicherer. Jede Gesellschaft betreibt eigene Portale, Formate und Prozesse. Einheitliche, maschinenlesbare Exporte, beispielsweise ein gemeinsamer XML- oder JSON-Standard, fehlen. So müssen Broker Daten händisch nachtragen, was Automatisierung, beispielsweise bei Massen-Prämienanpassungen, verhindert und Fehleranfälligkeit erhöht.

Berichtspflichten mit wenig Erkenntniswert

Die von der FINMA verlangten Reportings nach revidiertem VAG/AVO gelten als überladen. Gefordert werden Kennzahlen, die viele Versicherer gar nicht standardisiert liefern können. Broker basteln an Excel-Listen und Hilfskonstruktionen, deren Nutzen für Aufsicht und Markt unklar bleibt. Die FINMA erklärt auf Anfrage. «Ziel der neuen Regulierung ist der Kundenschutz. Hier geht es nicht um Klein oder Gross, sondern den Anspruch, dass im Schweizer Finanzmarkt die Versicherten korrekt beraten werden und vor Missbrauch geschützt sind».

Vor der Revision seien die Registrierung der Vermittler im Vordergrund der Aufsichtstätigkeiten gestanden. Das Aufsichtsmandat der FINMA sei neu zu einer laufenden Aufsicht über die Vermittlertätigkeiten ausgeweitet worden, was eine Implementierung von Aufsichtsinstrumenten, wie ein Reporting bedingt. Daraus könne durchaus ein höherer administrativer Aufwand für alle Beteiligten resultieren. Die FINMA habe jedoch bereits öffentlich mitgeteilt, dass das Reporting fürs Geschäftsjahr 2025 vereinfacht werde.

Durch erste Aufsichtstätigkeiten der FINMA im Bereich der Versicherungsvermittlung seien zahlreiche Missstände sowohl bei registrierten wie auch nicht registrierten Versicherungsvermittlern sichtbar geworden. Die FINMA werde ferner weiterhin Aufsichtsinstrumente wie das Reporting einsetzen, um auf effiziente und effektive Weise die Aufsichtsaufgaben wahrnehmen zu können.

Vereinfachung bei Daten- und Prozess-Standards durch Versicherer, FINMA und SIBA

Eine Delegation dieser Aufsichtsaufgabe an Branchenverbände sei gemäss FINMA in der aktuellen Regulierung nicht vorgesehen. Zudem vertrete die Swiss Insurance Brokers Association (SIBA) längst nicht alle Broker und Versicherungsvermittler-Unternehmen. Der einzelne registrierte Versicherungsvermittler sei nämlich nicht berichterstattungspflichtig, sondern lediglich die Juristische Personen und Personengesellschaften. So habe der Gesetzgeber bereits darauf geachtet und Rücksicht genommen, dass die natürlichen Personen im Bereich der Berichterstattung keine zusätzlichen, administrativen Aufwände zu tätigen haben.

Wie rechtfertigt SIBA den Mitgliederbeitrag für kleine Brokerbetriebe?

«Der Aufwand für kleine Broker ist anteilmässig wesentlich grösser als für grosse Brokerhäuser, die teilweise über eigene Legal-Abteilungen verfügen», erklärt Markus Lehman, SIBA-Präsident. Derzeit erarbeite die SIBA an einer Ausbildungsplattform, von der insbesondere kleine Broker profitieren würden. Daneben werde ein dreistufiges Ausbildungsprogramm für das 2. Säulengeschäft entwickelt. Jeder SIBA-Broker sei automatisch und gratis der Ombudsstelle angeschlossen und erhielte als SIBA-Mitglied regelmässige Newsletter zur Branche sowie Vergünstigungen verschiedener Art. 

Beweggründe für gestiegenen Aufsichtsabgaben zu «mager»

«Die erweiterten Aufgaben der FINMA und das Mandat einer laufenden Aufsicht im Sinne des Schutzes vor Missbrauch der Versicherungsnehmerinnen und -nehmer führen zu einem höheren Aufwand und damit einer höheren Registrierungsgebühr und Aufsichtsabgabe für die ungebundenen Versicherungsvermittler, da die Aufsichtsabgaben selbsttragend zu sein haben», so die FINMA.

Obwohl die Anzahl der zu Beaufsichtigten sehr hoch sei, werde das Aufsichtsteam schlank gehalten. Somit verhindere die FINMA, dass die Aufsichtsgebühren viel höher ausfallen. Um die Gebühren möglichst tief zu halten, optimiere sie laufend die Prozesse und nutze die Digitalisierung.

Im Vergleich zum alten Recht, das bis 31.12.23 gültig war, wurden die Aufgaben der FINMA im Bereich der Vermittleraufsicht durch den Gesetzgeber massiv ausgebaut. Nun fallen nicht nur die Registrierung in den Aufgabenbereich der FINMA, sondern auch die laufende Überwachung, ob die Vermittler ihre neuen Pflichten wahrnehmen oder nicht. Dazu führt die FINMA Abklärungen, Untersuchungen und Verfahren durch. Zudem würden von Dritten zahlreiche Meldungen und Beschwerden betreffend der Versicherungsvermittlung eingehen, denen die FINMA nachgehe.

Misstöne und Gebühren

Kritisiert werden die steigende Aufsichtsgebühren und Weiterbildungspflichten für sämtliche Mitarbeitenden, selbst im Innendienst. Der Ton in amtlichen Schreiben wird von Betroffenen als drohend beschrieben, in einem Stil, der das Vertrauen in die Aufsicht untergräbt. Leider fehlen seitens der FINMA immer noch transparente Angaben zu ihren Kosten. Von den Brokern wird Transparenz verlangt, die Finanzaufsicht lässt sich indes nicht in die Karten schauen.

Zwischen Lobby und Alltag

Die SIBA setzt sich zwar für die Branche ein, doch kleine Broker fühlen sich kaum vertreten. Mitgliedsbeiträge und Prioritäten orientieren sich an grösseren Häusern. Für Kleinstbroker fehlen spürbare, schnelle Erleichterungen im Tagesgeschäft, wie standardisierte Daten, praxistaugliche Vorlagen, und digitale Standards.

Markus Lehmann bestreitet dies: «Wir behandeln alle Mitglieder gleich. Kleine Broker melden sich regelmässig mit Fragen und suchen Unterstützung für ihre Problemfelder. Die SIBA kümmere sich seit 2 Jahren auch um kleinere Broker. Indem die Aufnahmebedingungen geändert wurden, könnten auch registrierte kleine Broker der SIBA beitreten und vom Qualitätssiegel profitieren. Auch Kleinstbroker könnten beitreten, wenn sie die Bedingungen erfüllten und nicht im Krankenkassengeschäft tätig seien.

Was sich ändern müsste

Ein gemeinsamer Daten- und Prozessstandard für alle Versicherer, getragen von Branche, Aufsicht und SIBA, wäre der grösste Hebel. Schlankere Reportingpflichten, die nur auf standardisierte Daten zugreifen, könnten Bürokratie spürbar senken. Ebenso nötig ist die Anerkennung bestehender Qualifikationen und gebündelte Prüfverfahren.

Hilfe kann durch die Implementierung optimaler CRM und Automatisierung erfolgen, so Markus Lehmann, «insbesondere wenn es um die unsägliche Datenerhebung der FINMA geht». Die grösste Entlastung könne die FINMA erwirken, indem sie die nichtssagende Datenerhebung zusammenstreichen würde. «Mit Finanzaufsicht anstatt Missbrauchsaufsicht, hat sich die FINMA deutlich zu viel angeeignet, was niemandem nützt, und schon gar nicht dem Schutz der Kunden dient», sagt Lehmann. 

Was sagen die Versicherer?

Aus der Sicht von Helvetia liegt die Verantwortung zur Ausarbeitung entsprechender Standards klar bei der IG B2B, welche in Zusammenarbeit mit der Eco-Hub AG die entsprechenden Vorgaben definieren und die branchenübergreifende Akzeptanz sicherstellen sollte. Eine Standardisierung von Datenschnittstellen und Prozessen erachtet auch Pax grundsätzlich als sinnvoll, gerade um die Abläufe für kleinere Broker so einfach wie möglich zu halten. Deshalb unterstützt der Versicherer unter anderem auch im Aktionariat von Eco-Hub sämtliche Vorstösse, um die dafür notwendigen Daten und Schnittstellen zentral und standardisiert verfügbar zu machen. Gleichzeitig differenziert sich Pax bewusst mit Services und Lösungen für Broker, die über einen Branchenstandard hinausgehen. Für grössere Partner bietet Pax bereits individuelle Anbindungen und prüft derzeit die Bereitstellung generischer APIs für alle ihre Partnerinnen und Partner. Zudem antizipiert Pax die von der FINMA geforderten Kennzahlen und weist zusätzliche Informationen als weitere Vereinfachung für ihre Vertriebspartner auf den Jahresabschlussrechnungen aus.

Wenn Versicherer Back-Office-Arbeiten auf Broker verlagern, sollte das über höhere Courtagen oder Service-Fees vergütet werden. Und die Kommunikation zwischen Aufsicht und Vermittlern muss partnerschaftlicher werden: verbindlich, respektvoll, sinnvoll und praxistauglich.

IG B2B setzt seit 2003 Standards (Kernprozesse) für die Branche

Gegründet mit dem Ziel, die Kommunikation zwischen Brokern und Versicherern zu optimieren, fördert IG B2B die Digitalisierung im Versicherungswesen. Zu diesem Zweck wurden Standards für den digitalen Datenaustausch definiert und mit Eco-Hub (ehemals BrokerGate) ein gemeinsames digitales Ökosystem geschaffen, über das Daten standardisiert und sicher ausgetauscht werden können.

Die Zusammenarbeit zwischen dem Verein IG B2B und der Eco-Hub ist dabei zentral: Während IG B2B für die fachliche Erfassung und Erarbeitung des Standards sowie die Betreuung und Pflege der Bedürfnisse des Versicherungsmarktes verantwortlich ist, übernimmt die Eco-Hub deren technische Umsetzung, den Betrieb der Eco-Hub-Plattform sowie die Weiterentwicklung digitaler Services.

IG B2B und EcoHub stellen strukturierte Daten bereit, die von Softwarelösungen für Broker direkt verarbeitet werden können. «Dadurch wird der administrative Aufwand für Broker deutlich reduziert, ein echter Mehrwert in einem dynamischen Marktumfeld», sagt Katia Jakob, Geschäftsführerin IG B2B.

Die Standards für die Branche seien gemäss Markus Lehmann seit vielen Jahren das Thema Nummer 1, weshalb die IG B2B aus der Brokerszene heraus gegründet wurde. In einem zweiten Schritt wurde die Ecohub AG implementiert. «Nur gehe alles viel zu langsam. Kommt dazu, dass die Versicherer – aus Vorsicht, Angst und Datenschutz – immer noch zu fest auf der Bremse stünden».

Selbsthilfe durch Kooperation

Kurzfristig können kleine Broker durch Kooperationen und gemeinsame Tools Entlastung schaffen. Eine offene Austauschplattform ohne Vereinsbürokratie könnte zum Labor für praxistaugliche Lösungen werden. Dies sieht der SIBA-Präsident Markus Lehmann jedoch anders. Er sagt: «Dies kann nur über IT-Firmen wie WMC mit geeigneten Tools erreicht werden.»

Binci Heeb

Lesen Sie auch: Berichtspflicht für Versicherungsvermittler bei der FINMA: Wo sind die Details?


Tags: #Austauschplattform #Berichtspflicht #Broker #Bürokratie #Datenstrukturen #FINMA #Heterogenität #Kommunikation #Prozesse #SIBA #Standards #Würgegriff #Zertifizierungslogik