«Mit Trump muss man Deals inszenieren – nicht verhandeln»

18 August, 2025 | Aktuell Allgemein Interviews
«Mit Trump muss man Deals inszenieren - nicht verhandeln» sagt der ehemalige Botschafter in der BRD Thomas Borer.
«Mit Trump muss man Deals inszenieren - nicht verhandeln» sagt der ehemalige Botschafter in der BRD Thomas Borer.

Thomas Borer, ehemaliger Chef der Task Force Schweiz–Zweiter Weltkrieg, plädiert für unkonventionelle Diplomatie im Umgang mit US-Präsident Donald Trump. Statt auf klassische Handelspolitik zu setzen, solle die Schweiz gezielt mit symbolträchtigen Angeboten und schnellen, persönlichen Kontakten punkten und so einen drohenden Zollkrieg abwenden.

thebrokernews hat mit Dr. Thomas Borer, ehemaligem Schweizer Botschafter in der Bundesrepublik Deutschland, über die richtige Diplomatie im Umgang mit Donald Trump gesprochen. Die aktuellen Entwicklungen in den USA haben weitreichende Folgen für alle Branchen, auch für die Versicherungswirtschaft.

Der U.S. amerikanische Präsident denkt nicht in multilateralen Abkommen, sondern in persönlichen Siegen, die er als «Deal-Maker» verkaufen kann. Das sagt Thomas Borer im Interview und skizziert eine Strategie, wie die Schweiz in einem zweiten Trump-Mandat wirtschaftlichen Schaden begrenzen könnte. Sein Rezept: Waffen, Öl, Gas oder Rindfleisch kaufen, gezielte Investitionen in den USA ankündigen, die Pharmapreise als Verhandlungsmasse nutzen und dabei auf Türöffner setzen, die Zugang zum Präsidenten haben. Entscheidend seien Tempo, Inszenierung und der Mut, klassische diplomatische Regeln über Bord zu werfen.

Thomas Borer, In einem jüngsten Interview regten Sie an, die Schweiz solle unkonventionelle Angebote wie Waffen, Öl, Gas oder Rindfleisch einkaufen, um Donald Trump von einem Zolldeal zu überzeugen. Können Sie bitte genauer erläutern, warum diese Kombination sinnvoll sein könnte?

Weil es bei Trump nicht um klassische Handelspolitik geht, sondern um persönliche Siege, die er innenpolitisch verkaufen kann. Er will Deals präsentieren, bei denen er sagen kann: «Ich habe für Amerika Arbeitsplätze geschaffen.» Waffen, Öl, Gas und Rindfleisch sind Symbolgüter in der US-Politik – sie stehen für Stärke, Energieunabhängigkeit und Landwirtschaft. Wenn wir solche Produkte kaufen, geben wir ihm genau die Bilder, die er gegenüber seinen Wählern braucht. Und umgekehrt muss die Schweiz sowieso Öl und Rindfleisch importieren und Waffen kaufen, um die Armee aufzurüsten. Das sind für uns bescheidene Konzessionen.

Sie nannten kritische Reaktionszeiten: «eine 72 Stunden-Rennaktion» sei nötig gewesen, um sich gegen die 39 Prozent Zölle zu wappnen. Warum war schnelles Handeln so entscheidend?

Weil man in solchen Situationen nicht bis Montag warten kann, nur weil Wochenende oder Feiertag ist. Ich wäre sofort in den Flieger gestiegen. In der Aussenpolitik zählt jede Stunde. Der Bundesrat betrachtet vieles durch die innenpolitische Brille, aber hier geht es um internationale Machtpolitik, und da darf man keine Zeit verlieren. Die Welt richtet sich nicht nach der Sitzungsordnung der Schweizer Regierung.

Welche Vorteile hat Fifa-Präsident Gianni Infantino als Vermittler?

Infantino hat eine persönliche Beziehung zu Trump, und im Trump-Universum zählen persönliche Sympathien oft mehr als offizielle Kanäle. Er könnte Türen öffnen, die für die Schweizer Diplomaten offensichtlich verschlossen bleiben. In Washington ist ein guter Türöffner manchmal wertvoller als ein Dutzend Positionspapiere. Daher habe ich schon lange und oft angeregt, die Eidgenossenschaft müsse eine professionelle Lobby-Agentur in Washington mandatieren.

Sie schlugen vor, Investitionen von über 100 Milliarden in Aussicht zu stellen oder ein Freihandelsabkommen anzubieten. Wie realistisch wäre ein solches Szenario?

Sehr realistisch. Die EU hat genau so verhandelt: Unternehmen haben öffentlich angekündigt, dass sie in den USA investieren. Schweizer Pharma- und Industriekonzerne haben schon Summen in dieser Grössenordnung genannt, aber leider unkoordiniert und ohne dass die Schweiz dies als «Deal» dem Weissen Haus «verkauft» hat. Entscheidend ist die gezielte Kommunikation dieser Absichten, um ein politisches Signal zu senden, das Trump für sich nutzen kann. Ein Freihandelsabkommen scheint leider für absehbare Zeit unmöglich. Die Chancen dazu haben wir unter früheren Präsidenten und während Trumps erster Amtszeit verpasst.

Warum betrachten Sie Pharmaprodukte als wertvollen Hebel in den Verhandlungen, und wie könnte dieser Trumpf konkret eingesetzt werden?

Trump will die Medikamentenpreise in den USA senken und droht mit Zöllen von bis zu 250 Prozent. Wenn der Vorschlag für Preissenkungen oder alternative Liefermodelle von unserer Seite kommt, kann er ihn als eigenen Erfolg präsentieren. Er hat dieses Versprechen im Wahlkampf gegeben. Wir müssen dieses Thema aktiv mitgestalten, bevor er es einseitig umsetzt und uns auch dieser Trumpf verloren geht.

Sie betonten in einem Blick-Interview, dass persönliche Beziehungen in den USA entscheidend seien, diese stünden aktuell nicht zur Verfügung. Was hätte der Bundesrat in den letzten Jahren besser machen können, um solche Beziehungen aufzubauen?

Als 1999 meine Aufgabe als Chef Task Force beendet war, haben wir eine Vielzahl von Empfehlungen gemacht, um die bilateralen Beziehungen mit den USA zu stärken. Man kann meine Vorschläge im Band 5 meines kürzlich erschienen Buches «Die Task Force Schweiz Zweiter Weltkrieg» nachlesen. Einiges wurde danach vom EDA in Angriff genommen, aber nach und nach schliefen unsere Bemühungen wieder ein, gerade auch bei der Schweizer Botschaft in Washington. Fakt ist, während der Auseinandersetzung um unser Bankgeheimnis in den Jahren 2008/9 und jetzt wieder, verfügen wir nicht über tragfähige Netzwerke. Während einer Krise kann man die nur schwierig aufbauen. Die Amerikaner sagen: «Drei Uhr morgens ist eine schlechte Zeit, um Freunde zu finden.» Wer erst anruft, wenn es brennt, hat keinen vergleichbaren Zugang wie jemand, der seit Jahren in Kontakt steht.

Sie hielten die Reise von Bundespräsidentin Keller-Sutter und BR Parmelin für richtig, aber hinsichtlich des Zeitpunkts zu spät. Was wäre aus Ihrer Sicht ein optimaler Moment gewesen und warum?

Gleich nachdem Grossbritannien eine Einigung mit den USA gefunden hatte – da hätte Trump einen «Deal» mit der Schweiz noch als Erfolg verkaufen können. Oder Ende Juli in Schottland, als Trump dort auch EU-Kommissionspräsidentin van der Leyen traf. In einer entspannten Atmosphäre, vor einer öffentlichen Zoll-Ankündigung, hätte man ihn noch mit einem attraktiven Deal-Ansatz gewinnen können. Nach der offiziellen Ankündigung ist der Spielraum deutlich kleiner.

Angesichts Ihrer Erfahrung mit der Task Force Schweiz–Zweiter Weltkrieg: Welche diplomatischen Lehren ziehen Sie aus dieser Zeit, die heute relevant sein könnten?

Vor allem, dass im Umgang mit Persönlichkeiten wie Präsident Trump die klassischen diplomatischen Regeln nicht gelten. Man muss pragmatisch und auch mal opportunistisch agieren; Trump sieht sich als Geschäftsmann und «Deal-Maker». Er lässt sich nicht belehren. Er legt Wert auf persönliche Kontakte. Daher muss man Personen für die eigenen Zwecke gewinnen, die das Vertrauen von Trump haben. Ferner beachtet Trump die Medien sehr stark. Es ist angezeigt, die Schweizer Position auch über konservative US-Medien bekannt zu machen.

Sehen Sie Potenzial für einen nachhaltigeren Ansatz, beispielsweise über bilaterale Abkommen oder institutionelle Reformen, um zukünftigen wirtschaftlichen Druck aus den aus den USA zu begegnen?

Bis zum Ende der Präsidentschaft Trump und wahrscheinlich darüber hinaus wird es keine regelbasierte, nachhaltige Handelsordnung à la WTO mit den USA geben. Jeder Tag ist für eine Überraschung gut. Die Welt hat sich von Trump nach dem Motto «divide et impera» in Einzelverhandlungen aufsplittern lassen – und da gewinnt die mächtige USA. Echte Gegenwehr gegen den US-Merkantilismus wäre nur möglich gewesen, wenn sich Europa, Asien und Lateinamerika zusammengeschlossen und Trump die Stirn geboten hätten. Dafür waren aber die Differenzen zwischen diesen Ländergruppen zu gross.

Borer lässt keinen Zweifel: Mit Trump gilt es, in Bildern zu denken, nicht in Paragrafen. Wer ihm Erfolge liefert, die er medienwirksam inszenieren kann, gewinnt Einfluss. Wer auf Routine und Bürokratie setzt, verliert. Die Schweiz müsse jetzt Netzwerke in Washington knüpfen, strategische Angebote vorbereiten und bereit sein, in Stunden statt Wochen zu handeln. Denn in Borers Worten: «Die Welt richtet sich nicht nach der Sitzungsordnung des Bundesrats.»

Das Interview führte Binci Heeb, Chefredaktorin.

Dr. Thomas Borer wurde am 29. Juli 1957 in Basel geboren. Er studierte an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Basel und promovierte 1985 mit summa cum laude. Anschliessend sammelte er Berufserfahrung in der Privatwirtschaft, unter anderem als Rechtsberater und in der Anlageberatung bei der Credit Suisse. 1987 wurde er als Leiter der Abteilung Politische und Rechtsangelegenheiten an die Schweizer Botschaft in Washington versetzt. 1996 wurde er vom Schweizer Bundesrat zum Leiter der Task Force «Schweiz – Zweiter Weltkrieg» ernannt, die sich mit der Rolle der Schweiz als Finanzplatz während des Nationalsozialismus befasste. Bei dieser Gelegenheit wurde Dr. Thomas Borer der Titel eines Botschafters verliehen. Nach Auflösung der Task Force wurde er 1999 zum Schweizer Botschafter in der Bundesrepublik Deutschland ernannt. Ende April 2002 schied er aus dem Staatsdienst aus und gründete sein eigenes Unternehmen, das er seitdem erfolgreich leitet. Dr. Borer ist außerdem Mitglied des Verwaltungsrats mehrerer nationaler und internationaler Unternehmen.

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