Neues Prüfungsregime, alte Unsicherheiten – Wie die VAG-Revision die Branche aufmischt

7 Juli, 2025 | Aktuell Allgemein
Neues Prüfungsregime, alte Unsicherheiten: v.l.n.r.: Jonathan Progin (FuW), Dr. Oliver Favre (Schellenberg Wittmer Ltd.), Jürg Zellweger (VBV/AFA), Noémie Savaria (FINMA), Ivo Flüeler (ARISCO Risk Consultants), Jon Samuel Plotke (ASSEPRO).
Neues Prüfungsregime, alte Unsicherheiten: v.l.n.r.: Jonathan Progin (FuW), Dr. Oliver Favre (Schellenberg Wittmer Ltd.), Jürg Zellweger (VBV/AFA), Noémie Savaria (FINMA), Ivo Flüeler (ARISCO Risk Consultants), Jon Samuel Plotke (ASSEPRO).

Mit der Teilrevision des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) werden in der Schweiz erstmals einheitliche Regeln für alle Versicherungsvermittler eingeführt. 35.000 Personen sind betroffen. Was als Schritt zur Qualitätssicherung gedacht war, sorgt bei vielen Brokern für Verunsicherung und hitzige Diskussionen über Sinn, Praxisbezug und Kommunikation der neuen Prüfpflicht.

Seit dem 1. Juli 2025 gilt: Wer in der Schweiz Versicherungsverträge vermittelt oder verkauft, muss definierte Mindeststandards erfüllen und entsprechende Prüfungen absolvieren. Für viele ein längst überfälliger Schritt. Die Reform betrifft rund 35.000 Personen und ist somit eine der grössten regulatorischen Umstellungen der letzten Jahre im Versicherungsbereich. Damit endet auch das bisherige System freiwilliger Selbstregulierung.

Zwischen Anspruch und Realität: Kommunikationsdefizite belasten Umsetzung

Ein zentrales Thema auf dem Podium des Versicherungsbroker Forums 2025 zur VAG-Revision war die mangelnde Kommunikation. Viele Broker berichten von Unsicherheit und fehlender Klarheit, insbesondere in der Übergangsphase. «Ich hätte mir eine klarere Einführung und frühzeitigere Informationen gewünscht», so der Tenor. Zwar betont die zuständige Stelle, man habe so viel kommuniziert wie nie zuvor, doch erschwere die heterogene Struktur der Branche offenbar eine flächendeckende Aufklärung.

Qualität ja – aber bitte mit Praxisbezug

Die Absicht hinter der neuen Prüfungs- und Weiterbildungspflicht ist klar: Qualität sichern und schwarze Schafe aus dem Markt drängen. Doch viele in der Branche kritisieren die mangelnde Passgenauigkeit der Inhalte. Die Module seien zu allgemein gehalten, der Praxisbezug für spezialisierte Tätigkeiten im Innendienst oder bei Industrieversicherungen fehle. «Unsere Leute lernen Inhalte, die für ihren Arbeitsalltag keine Relevanz haben», so Ivo Flüeler von ARISCO Risk Consultants.

Der grosse Zielkonflikt: Standardisierung versus Spezialisierung

Die neue Regelung zielt auf den Grundschutz ab, was eine breite Wissensbasis statt tiefer Spezialisierung bedeutet. Doch genau hier liegt das Dilemma: Je allgemeiner die Prüfung, desto grösser das Risiko, am tatsächlichen Berufsalltag vorbei zu reglementieren. Gleichzeitig ist eine zu starke Differenzierung administrativ kaum zu stemmen. Die Folge: ein Spagat zwischen regulatorischem Anspruch und betrieblicher Realität.

Ein System in Bewegung – und auf der Suche nach Balance

Trotz aller Kritik erkennen viele Branchenvertreter die Chance, die in der Vereinheitlichung liegt. «Die Prüfungsstandards wurden über Jahre gemeinsam von Versicherern, Brokern und Krankenversicherungen entwickelt», so Noémie Savaria von der FINMA «und sie sind veränderbar». Es bleibt also Spielraum für Nachjustierungen, besonders wenn sich in der Praxis zeigt, wo es hakt. Ein Wunsch bleibt allerdings klar: Keine Gleichsetzung mit der strengeren Finanzmarktregulierung der Bankenwelt.

Die neue Prüfpflicht ist mehr als nur ein bürokratischer Akt, sie ist ein Signal für den Wandel einer ganzen Branche. Damit dieser Wandel gelingt, braucht es nicht nur Reglemente, sondern auch Dialog, Flexibilität und ein realistisches Verständnis dessen, was Vermittler in der Praxis leisten. Denn Qualität ist nicht nur messbar – sie ist auch spürbar.

Binci Heeb

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