Stewardship: Mehr als nur ein Trend – Die Zukunft nachhaltigen Investierens 

21 März, 2025 | Aktuell Interviews Nicht kategorisiert
Stewardship: Mehr als nur ein Trend. Bild: Marion Ehringhaus, Sustainable Finance Expert bei Waveston.
Stewardship: Mehr als nur ein Trend. Bild: Marion Ehringhaus, Sustainable Finance Expert bei Waveston.

Für Investoren, die nachhaltig anlegen möchten, sind vielfältige Strategien verfügbar. Eine Strategie, die als Ergänzung zunehmend an Bedeutung gewinnt und dabei hilft, nachhaltige Ziele zu erreichen, ist Stewardship. Es trägt dazu bei, Unternehmen zu einer nachhaltigeren Entwicklung zu bewegen. Dies ist von grosser Bedeutung für die Bewältigung globaler Herausforderungen wie dem Klimawandel und der sozialen Ungleichheit. 

Stewardship bedeutet, dass Investoren nicht nur ihr Geld in Unternehmen investieren, sondern sich aktiv in deren Geschäftsführung einbringen. Durch Stimmrechtsausübung bei Generalversammlungen und direkte Gespräche mit Unternehmensvertretern können sie Unternehmen dazu bewegen, nachhaltiger zu wirtschaften. thebrokernews spricht mit Marion Ehringhaus, Sustainable Finance Expert bei Wavestone.

Was versteht man unter Stewardship im Kontext nachhaltigen Investierens, und warum gewinnt es zunehmend an Bedeutung?

Marion Ehringhaus: Stewardship ist ein nachhaltiger Anlageansatz. In der Schweiz hat Swiss Sustainable Finance (SSF) definiert, was darunter zu verstehen ist. Dabei geht es darum, dass Anleger – insbesondere institutionelle Investoren wie Pensionskassen oder Fonds aktiv Einfluss nehmen, um nachhaltige Geschäftspraktiken zu fördern. Laut der SSF-Studie 2024 belegt Stewardship im Ranking der angewandten Anlageansätze die Plätze 4 für Engagement und 5 für Voting. Insbesondere bei passiven Anlagen wie ETFs stellt Engagement oft die einzige Möglichkeit dar, nachhaltigen Einfluss auf die investierten Unternehmen auszuüben.

Wie unterscheidet sich Stewardship von anderen nachhaltigen Anlagestrategien?

Während andere nachhaltige Anlagestrategien wie Best-in-Class sich auf die nachhaltigsten Unternehmen einer Branche konzentriert, vernachlässigt es Nachzügler und deren potenziellen Verbesserungsbedarf. Die ESG-Integration hingegen zielt primär darauf ab, ESG-Risiken im Portfoliomanagement zu berücksichtigen, um das Risiko-Rendite-Profil zu optimieren. Im Gegensatz dazu ermöglicht Stewardship direkten Einfluss auf Unternehmen durch das Ausüben von Stimmrechten (Voting) und aktives Engagement, das durch den Dialog mit dem Unternehmen positive Veränderungen bewirken kann.

Können Sie konkrete Beispiele nennen, wie Stewardship Unternehmen zu nachhaltigerem Handeln bewegt hat?

Stewardship hat in zahlreichen Fällen konkrete Veränderungen bei Unternehmen bewirkt. So hat beispielsweise Ethos mit Voting erfolgreich gegen Vergütungspolitiken von Nestlé und UBS gestimmt, was zu Überarbeitungen der Vergütungsstrukturen und höheren Anforderungen an Transparenz führte. Inrate setzte sich durch Abstimmungsempfehlungen für eine stärkere Ausrichtung von Roche und Novartis auf nachhaltige Geschäftspraktiken ein, was zu Verbesserungen in der ESG-Berichterstattung und Vergütungsstrukturen führte. Bei Glencore unterstützte Ethos eine Aktionärsresolution zur Klimapolitik, um stärkere Massnahmen gegen den Klimawandel zu fördern.

Das Engagement findet in direkten und kollektiven Dialogen statt. Im direkten Engagement führt z.B. Ethos Gespräche mit Unternehmen wie Georg Fischer und Adecco, um Governance, Transparenz und Nachhaltigkeit zu verbessern, insbesondere in Bezug auf digitale Verantwortung und Klimaziele. Im kollektiven Engagement arbeiten Investoren gemeinsam, um Veränderungen zu bewirken. Die «Access to Nutrition Initiative» spricht mit Nestlé, um Ernährungspraktiken zu verbessern, während Climate Action 100+ Holcim zu ehrgeizigeren Klimazielen bewegt. Die «Platform Living Wage Financials» setzt sich bei Richemont für faire Löhne ein, und «Nature Action 100-Initiative» dialogisiert mit Roche, um Biodiversitätsschutz zu fördern.

Welche Rolle spielen Stimmrechtsausübung und direkte Dialoge mit Unternehmen im Stewardship-Prozess?

Stimmrechtsausübung und direkte Dialoge sind die Kernaktivitäten im Stewardship-Prozess. Durch den Dialog können Anleger Unternehmen zu nachhaltigeren Geschäftspraktiken anregen und klare Forderungen stellen. Wenn diese nicht berücksichtigt werden, kann der Druck durch die Ausübung von Stimmrechten auf der Hauptversammlung erhöht werden. Bei Bedarf können auch relevante Aktionärsanträge unterstützt werden.

Die Rolle des Stewards kann sowohl von einzelnen als auch von Anlegerpools wahrgenommen werden. Grosse institutionelle Anleger wie Hedgefonds oder Pensionskassen agieren oft eigenständig, während mittlere und kleinere Investoren sich häufig Pools anschliessen, die von Organisationen wie ISS, Glass Lewis, Ethos oder Inrate verwaltet werden, um ihre Einflussnahme zu verstärken.

Diese Massnahmen ermöglichen es Anlegern, aktiv auf die Unternehmensführung und -praktiken einzuwirken und somit einen positiven Beitrag zur Förderung von Nachhaltigkeit zu leisten. Die Kombination aus Dialog und Stimmrechtsausübung schafft einen effektiven Mechanismus, um Unternehmen zu verantwortungsvollem Handeln zu bewegen.

Wie definieren Sie eine erfolgreiche Stewardship-Strategie, und welche Schritte sind dabei entscheidend?

Eine erfolgreiche Stewardship-Strategie basiert auf einer klaren, dokumentierten und transparenten Vorgehensweise, die in einer öffentlich zugänglichen Stewardship-Policy festgehalten wird. Dabei bildet die strategische Ausrichtung das Fundament, indem sie klare Ziele und Prioritäten für das Stewardship definiert, die sowohl mit den langfristigen Anlagestrategien als auch mit den Nachhaltigkeitszielen des Anlegers übereinstimmen. Darauf aufbauend erfolgt die systematische Identifikation relevanter ESG-Themen, wie Klimawandel, soziale Gerechtigkeit oder gute Unternehmensführung, sowie die Auswahl von Unternehmen mit signifikantem Verbesserungspotenzial in diesen Bereichen. Das aktive Engagement umfasst den Aufbau konstruktiver Dialoge mit Unternehmen, um nachhaltige Veränderungen anzustossen. Wichtig ist dabei, konkrete Anforderungen zu formulieren und realistische Lösungsansätze zu besprechen.

Die Stimmrechtsausübung dient als wirksames Instrument zur Einflussnahme auf Unternehmensentscheidungen, wobei das Voting mit den Engagement-Aktivitäten abgestimmt wird, um eine konsistente Botschaft zu vermitteln. Die kontinuierliche Überwachung der Fortschritte und die Bewertung der Wirksamkeit der Stewardship-Aktivitäten sind ebenso entscheidend, wie die Festlegung eines transparenten Eskalationsrahmens für den Fall, dass Unternehmen nicht auf die Forderungen reagieren. Um Rechenschaft abzulegen und Vertrauen aufzubauen, ist eine regelmässige Berichterstattung über die Stewardship-Aktivitäten und deren Ergebnisse unerlässlich.

Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Umsetzung von Stewardship, und wie können Investoren diese überwinden?

Die Herausforderungen sind vielfältig und betreffen die Zielsetzung, die regionale oder globale Abdeckung, die Interessenskonflikte, die Fortschrittsmessung und Entscheide zur Art und Weise der Implementierung (inhouse/extern, regional/global).

Um eine erfolgreiche Stewardship-Implementierung zu gewährleisten, ist es unerlässlich, dass das Top-Management die Ambitionen und Ziele klar definiert.

Potenzielle Interessenkonflikte zwischen den Stewardship-Aktivitäten und anderen Abteilungen, wie beispielsweise der Kredit- oder Unternehmensabteilung, müssen transparent geklärt werden, um die Unabhängigkeit des Stewardship-Teams sicherzustellen.

Obwohl die direkte kausale Verbindung zwischen Stewardship-Aktivitäten und Unternehmensergebnissen schwer nachzuweisen ist, bestätigen zahlreiche betroffene Unternehmen und Studien, dass Dialog und Stimmrechtsausübung einen positiven Einfluss auf die Nachhaltigkeit von Geschäftspraktiken haben.

Die Umsetzung einer Stewardship-Strategie erfordert sorgfältige Entscheidungen, etwa zwischen Voting und Engagement, regionaler oder globaler Ausrichtung, einer umfassenden oder gezielten Anwendung auf nachhaltige Fonds sowie interner oder externer Umsetzung.

Die Auswahl der optimalen Lösung erfordert eine gründliche Due-Diligence-Prüfung, gegebenenfalls mit externer Unterstützung.

Da die Vorbereitungszeit für die Implementierung in der Regel sechs bis neun Monate beträgt, ist ein rechtzeitiger Beginn vor der nächsten Abstimmungsperiode entscheidend.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine erfolgreiche Stewardship-Strategie auf klaren Zielen, Unabhängigkeit, fundierten Entscheidungen und einer sorgfältigen Implementierung basiert.

Wie bewerten Sie die Wirksamkeit von Stewardship im Vergleich zu anderen nachhaltigen Anlagestrategien?

Die Wirksamkeit von Stewardship lässt sich sowohl beim Voting als auch beim Engagement nachweisen, wenn auch auf unterschiedliche Weise.

Beim Voting ist die Wirkung unmittelbar messbar: Die Abstimmungsergebnisse zeigen klar, ob eine Mehrheit der Aktionäre für oder gegen einen Antrag gestimmt hat. Selbst bei einer Minderheitsentscheidung kann das Signal, dass eine wachsende Anzahl von Aktionären Bedenken äussert, Unternehmen zu strategischen Anpassungen bewegen.

Das Engagement hingegen ist eine qualitative Tätigkeit, bei der kausale Zusammenhänge schwer nachzuweisen sind. Dennoch bestätigen betroffene Unternehmen regelmässig, dass sie ohne den kontinuierlichen Dialog und Druck durch Stewardship-Aktivitäten nicht so schnell nachhaltige Verbesserungen erzielt hätten. Nach dem Prinzip «steter Tropfen höhlt den Stein» führen wiederholte, konstruktive Gespräche mit grossen Aktionären zu Veränderungen in den Geschäftspraktiken.

Um die Wirksamkeit des Engagements zu maximieren, sind folgende vier Aspekte entscheidend:

  • Klare, spezifische Themen: Pro Unternehmen sollten wenige, aber relevante Themen zur Verbesserung identifiziert werden.
  • Realistische Ziele: Für jedes Thema sollten klare und erreichbare Ziele in einem festen Zeitrahmen definiert und kommuniziert werden.
  • Konsequenzen aufzeigen: Unternehmen sollten über die Folgen ausbleibender Fortschritte informiert werden.
  • Langfristige Perspektive: Engagement erfordert Geduld und eine langfristige Perspektive, da nachhaltige Veränderungen Zeit brauchen.

Akademische Studien belegen, dass Stewardship im Bereich börsenkotierter Anlagen einen signifikanten Einfluss auf Unternehmen hat. Somit ist die Wirksamkeit dieses Anlageansatzes genügend belegt.

Welche Rolle spielt Transparenz im Stewardship-Prozess, und wie können Investoren diese fördern?

Transparenz spielt im Stewardship-Prozess eine zentrale Rolle, da sie die Grundlage für Vertrauen und Glaubwürdigkeit bildet. Investoren müssen ihre Werte, Anlagestrategien, Beweggründe und Erwartungen klar kommunizieren, um als glaubwürdige Gesprächspartner wahrgenommen zu werden. Dies erfordert die vollständige Offenlegung von Engagement-Themen, angestrebten Zielen, verwendeten Leistungskennzahlen (KPIs) und geplanten Zeitrahmen. Ebenso wichtig ist die klare Kommunikation der Eskalationsstrategie, falls Unternehmen die geforderten Verbesserungen nicht umsetzen. Um Stewardship-Washing zu vermeiden, ist Transparenz über interne Abstimmungsrichtlinien und deren tatsächliche konsequente Anwendung unerlässlich. Die Veröffentlichung aller Abstimmungsergebnisse sowie der Themen, Branchen und Unternehmen, mit denen ein Engagement geführt wird, schafft zusätzliche Transparenz.

Marion Ehringhaus ist eine Pionierin im Bereich Sustainable Finance. Ihre Expertise erstreckt sich von ESG-Investitionen und -Daten über nachhaltige Beratungsprozesse bis hin zur Entwicklung von Net-Zero-Roadmaps. 

Der zweite Teil dieses Interviews folgt am 24. März 2025.

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