Versicherungswirtschaft 2030: Zwischen Risiko, Regulierung und Resilienz

16 Juni, 2025 | Aktuell Allgemein
Versicherungswirtschaft 2030: Welche Faktoren verändern die Geschäftsmodelle der Assekuranz?
Versicherungswirtschaft 2030: Welche Faktoren verändern die Geschäftsmodelle der Assekuranz?

Digitalisierung, Klimawandel und geopolitische Instabilität verändern das Geschäftsmodell der Assekuranz grundlegend. Beim IVW Future.Talk 2/2025 diskutierten Branchenexpertinnen- und Experten, wie sich Versicherer für die Zukunft wappnen können – und was dabei bisher noch nicht funktioniert hat.

Zum Auftakt des Future.Talks stellte Prof. Dr. Martin Eling von der Universität St. Gallen zentrale Erkenntnisse der neuen Studie «Assekuranz 2030» vor. Sein Rückblick zeigt: Viele Trends, die einst als revolutionär galten, blieben unter den Erwartungen. Weder der Onlinevertrieb noch Peer-to-Peer-Versicherungsmodelle oder Blockchain-Lösungen haben sich durchgesetzt.

«Es gibt einfache, standardisierte Produkte, die man online vertreiben kann. Aber wenn es komplexer wird, ist persönliche Beratung nach wie vor gefragt», so Eling. Statt disruptiver Umbrüche zeigt sich ein Muster: Innovation ergänzt etablierte Praktiken, ersetzt sie aber selten.

Tech-Trends im Realitätscheck

Martin Thormählen, CTO von Munich Re, gab Einblicke in den frisch erschienenen Tech Trend Radar 2025. Besonders hervor stach dabei das Thema KI. Der Hype um sogenannte AI Agents sei gross, doch die Realität sei oft weit davon entfernt: «Viele sprechen von autonomen Agenten, aber was sie meinen, sind oft automatisierte Workflows», so Thormählen. Ein echter Gamechanger sei hingegen die Kombination von KI und Kundeninteraktion, etwa bei der Dokumentenverarbeitung oder dem intelligenten Schadensmanagement.

Ein zentrales Thema bleibe die Cyberresilienz. Thormählen warnte eindringlich: «Die Frage ist nicht, ob man angegriffen wird, sondern wie schnell man danach wieder funktionsfähig ist.» Cyberversicherungen seien aktuell noch ein Nischenmarkt, könnten aber bis 2036 zur grössten Sparte der Branche werden.

Zwischen Risiko und Verantwortung

Alexandra Burns von PwC brachte mit dem Insurance Banana Skins Report eine Risikoperspektive ein. Ihre Einschätzung: «Die Versicherungswirtschaft ist bislang zu wenig im öffentlichen Diskurs präsent – dabei hätten wir wertvolle Daten und Erkenntnisse zu bieten.» Auch regulatorische Anforderungen wie DORA oder der AI Act brächten nicht nur Herausforderungen, sondern böten Chancen für eine strategischere Positionierung der Branche.

Im Panel betonte Monika Sebold-Bender, Independent non-executive director diverser Versicherer, dass die technische Schuldenlast vieler Versicherer ein zentrales Hemmnis für Transformation sei. «Wenn COBOL-Programmierer in Rente gehen, fällt die Modernisierung schwer. Gleichzeitig müssen wir unsere Systeme besser verstehen, um resilient auf Veränderungen zu reagieren.»

Zukunftsthemen im Fokus

In einer Live-Befragung bewerteten die Teilnehmenden sieben Zukunftsthemen nach Veränderungspotenzial und Reifegrad. Die Spitzenreiter waren wenig überraschend Big Data, KI und Cyberversicherung. Skeptischer wurde Embedded Insurance und Open Insurance eingeschätzt. Hier sehen viele noch zu grosse technologische und regulatorische Hürden.

Eling zog ein nüchternes Fazit: «Eigentlich steht die Assekuranz trotz aller Krisen gut da. Aber der Wandel ist kein Selbstläufer. Was fehlt, ist eine aktivere Rolle im Dialog mit Politik und Gesellschaft.»

Die Versicherungsindustrie 2030 wird nicht durch einzelne technologische Durchbrüche geprägt, sondern durch die Fähigkeit, Resilienz durch kluge Governance, integrierte Technologien und eine mutigere gesellschaftliche Positionierung zu organisieren.

Binci Heeb

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