Wenn Wetterextreme zur Normalität werden
12 September, 2025 | Aktuell Allgemein
Die Schweiz erlebt immer häufiger Hitzewellen, Starkregen und Überschwemmungen. Klimaforscherin Olivia Romppainen-Martius erklärt, warum Anpassung kein Luxus, sondern Überlebensstrategie ist und weshalb Künstliche Intelligenz dabei eine Rolle spielen kann.
Noch vor wenigen Jahrzehnten galten Starkregen, Hitzewellen oder Hochwasser als seltene Ausnahme. Heute treten sie immer häufiger auf, mit massiven Folgen für Gemeinden, Infrastrukturen und Versicherungen. Wer in den Alpen lebt, spürt den Wandel unmittelbar: Schmelzende Gletscher destabilisieren Hänge, plötzlich ansteigende Flüsse überfluten Täler.
«Wir sehen uns immer häufiger mit Wetterextremen konfrontiert, welche grosse Auswirkungen haben und unsere Anpassungsfähigkeit auf die Probe stellen,» sagt Prof. Dr. Olivia Romppainen-Martius, Professorin für Klimafolgenforschung an der Universität Bern und Co-Leiterin des Mobiliar-Labs für Naturrisiken.




Risikoanalysen als Grundlage
Die Klimaforscherin und ihr Team arbeiten an Modellen, die Schadensprognosen mit hydrologischen Simulationen verbinden. Sie zeigen, welche Regionen besonders gefährdet sind und welche Massnahmen den grössten Effekt hätten. «Uns wird oft vorgeworfen, wir seien zu alarmistisch. Doch solche Risikoanalysen sind absolut essentiell als Grundlage für Anpassungsmassnahmen,» betont Romppainen-Martius.
Ihre Daten sollen keine Panik auslösen, sondern Entscheidungsträgern, wie Gemeinden, Versicherungen und Politik, helfen. Denn wer früh weiss, wo die Risiken liegen, kann gezielt investieren und im Ernstfall Leben retten.
Fairness und Akzeptanz
Anpassung bedeutet mehr als Dämme und Rückhaltebecken. Die Forscherin plädiert dafür, auch gesellschaftliche Fragen einzubeziehen: Wer ist besonders verletzlich? Wer trägt die Kosten? Und wie lässt sich Akzeptanz in der Bevölkerung schaffen? Dabei setzt sie auf Projekte, die Mehrwert bieten. Speicherbecken, die nicht nur Hochwasser abfedern, sondern in Dürrezeiten Bewässerung sichern. Schutzanlagen, die auch Energie liefern. Lösungen, die Sicherheit mit zusätzlichem Nutzen verbinden.
Hoffnung durch Künstliche Intelligenz
Ein weiteres Werkzeug könnte die Klimaanpassung entscheidend verbessern: Künstliche Intelligenz. «Die nächste Generation der Wettervorhersagen wird auch KI-Modelle nutzen. Die Hoffnung ist, dass wir damit mehr Vorwarnzeit, gerade bei Gewittern, gewinnen» erklärt Romppainen-Matius.
Noch sind die Modelle nicht perfekt. Sie brauchen riesige Datenmengen, und Wetterlagen sind oft chaotisch. Doch die Forscherin sieht enormes Potenzial: Mehr Präzision, bessere Reaktionsmöglichkeiten und im Idealfall zusätzliche Stunden Vorbereitungszeit.
Anpassung als Überlebensstrategie
Die Schweiz steht vor der Herausforderung, sich neu zu erfinden: Weg vom Bild eines sicheren Alpenlands hin zu einer Gesellschaft, die Extremwetter als Teil ihrer Realität akzeptiert und sich darauf vorbereitet. Romppainen-Martius zieht ein klares Fazit: Anpassung ist kein Randthema und kein Luxus. Es ist die Voraussetzung dafür, dass Täler bewohnbar bleiben, Städte geschützt werden und die Schweiz auch in Zeiten des Klimawandels resilient bleibt.
Binci Heeb
Lesen Sie auch: Die unsichtbare Wolke: Warum Kondensstreifen das Klima stärker belasten als gedacht