Zwischen Kundenanspruch und KI-Revolution

23 Juni, 2025 | Aktuell Allgemein
Zwischen Kundenanspruch und KI-Revolution - Interessante CEO-Perspektiven: Jean-Daniel Laffely, CEO Vaudoise.
Zwischen Kundenanspruch und KI-Revolution - Interessante CEO-Perspektiven: Jean-Daniel Laffely, CEO Vaudoise.

Hochpreisige Reparaturen, autonome Fahrzeuge, datenbasierte Optimierung: Die Versicherungsbranche steht unter doppeltem Druck. Einerseits steigen Kundenerwartungen an Preisfairness und Service, andererseits wird KI zur strategischen Schaltzentrale. Mehrere CEO-Perspektiven aus eine Branche im Wandel.

Jean-Daniel Laffely, CEO der Vaudoise, schilderte am HZ Insurance Forum 2025 ein eindrückliches Beispiel: Ein elektrifizierter Porsche mit einem scheinbar kleinen Schaden endet in einem Totalschaden der Batterie. Diagnose durch den Hersteller: Austauschpflicht. Kostenpunkt: 70 000 Franken. «Wir sprechen heute über ganz andere Dimensionen», so Laffely. Diese Kostenexplosion betreffe nicht nur Luxusfahrzeuge, sondern zeige grundsätzlich, wie sich Schadenbilder mit der Elektromobilität verändern.

Auch Zulieferprobleme, CO2-Gesetzgebung und steigende Reparaturpreise trägen zum Kostendruck bei. Der CEO sprach von einem «Paradigmenwechsel seit 2021». Eine zentrale Herausforderung sei, dass die Preisstruktur den Kunden nicht mehr erklärbar sei. «Warum soll ein Kunde mit zehn Jahren Schadenfreiheit mehr bezahlen?»

Neue Kundenerwartungen: Mehr Service, weniger Intransparenz

Die Vaudoise begegnet diesen Herausforderungen mit einer ganzheitlichen Kundenstrategie: «Kundenbindung gelingt nicht nur über Prämien, sondern über den gesamten Erlebnispfad», so Laffely. Das bedeutet konkret: digitale Services, transparente Kommunikation, aktives Loyalty-Management und vor allem: individuelle Kundenansprache.

Er plädiert für ein Ende der Milchbubi-Mentalität: «Wir müssen aufhören, nur schlechte Nachrichten zu überbringen. Versicherer sollten als Partner auftreten, nicht nur als Kostentreiber.»

V.l.n.r.: Julian Riebartsch (AXA), Dr. Martin Jara (Helvetia Schweiz), Julian Riebartsch (Calvin Risk), Philomena Colatrella (CSS). Moderation: Marianne Fassbind (Dynamics Group AG).
KI als strategisches Betriebssystem

Wie das gelingen kann, zeigte eine weitere Diskussion mit den CEOs von Helvetia, CSS und Calvin Risk, sowie dem Chief Data, AI and Innovation Officer der AXA. Dabei wurde deutlich: Künstliche Intelligenz ist kein Tool mehr, sondern Infrastruktur. Dr. Andreas Schertzinger (AXA) formulierte es so: «Wir reden über KI als strategisches Betriebssystem. Sie muss Teil der gesamten Wertschöpfungskette sein.»

Bei AXA laufen inzwischen über 400 Use Cases in den Ländergesellschaften. Besonders im Schadenmanagement zeigen sich Effizienzpotenziale: «25 Jahre Erfahrungswissen lassen sich heute in ein lernendes Modell überführen». Die Aufgabe der Führung sei, diese Systeme so zu skalieren, dass sie lokal wirken, aber global standardisiert sind.

Zwischen Haltung und Infrastruktur

Philomena Colatrella (CSS) betonte die Bedeutung der Unternehmensphilosophie: «Die Haltung gegenüber KI entscheidet darüber, ob Mitarbeitende mitziehen.» Deshalb investiere man nicht nur in Technik, sondern auch in Kultur und Training. Auch bei Helvetia sieht Dr. Martin Jara KI als «kooperativen Prozess», nicht als Ersatz.

Die zentrale Herausforderung sei, so die Diskutierenden, die strategische Verankerung: «KI darf kein Projekt sein. Es muss ein Produkt sein, das sich stetig weiterentwickelt.» Dazu gehören Centers of Excellence, datengetriebene Entscheidungen und interne Change-Prozesse.

Kundenerlebnis als gemeinsame Währung

Ob digitale Schadensabwicklung oder präventive Risikoerkennung – die Verbindung von Kundenperspektive und KI ist entscheidend. «KI wirkt nur, wenn sie Nutzen bringt», resümierten die CEOs. Die Versicherungswirtschaft der Zukunft muss beides liefern: stabile Preise und smarte Erlebnisse.

Und sie muss den Mut haben, Transformation zur Chefsache zu machen.

Binci Heeb

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